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Facebook - Der Abschied

Abschied
Zeit für einen Eintrag in mein Tagebuch ...
In stiller Trauer gebe ich meinen Rückzug aus der Internetplattform Facebook bekannt. Du, mein persönlicher account - ruhe in Frieden. Amen.
War schon ein komisches Gefühl, der Druck auf die Entertaste. Wollen Sie Ihren account WIRKLICH löschen? Ja. Ich will. Ja, ich wollte wirklich. Und zwar nach gründlicher Überlegung und Absprache mit einem Computer-Fachmann. Es hat Lücken, es gibt unausgereifte Fragmente, es ist zu durchsichtig, zu problembeladen. Es kostet zuviel Zeit. Zuviel von der wertvollen Zeit, die man weitaus sinnvoller verwerten kann. Facebook schafft Nähe, wo gar keine ist. Man ist virtuell befreundet und kann gegenseitig ins kosmetisch korrigierte Leben hineinstöbern. Man kann mehr oder weniger gute Fotos kommentieren, die dann auch für die sogenannten „Nicht-Freunde" sichtbar werden. Und nicht nur die kommentierten, sondern auch all die, die dem kommentierten Foto in Serie folgen.
Man kann verlorene Bekannte wiederfinden. Schön. Aber ehrlich gesagt, hätte ich auch gut weitergelebt, wenn ich nicht gewusst hätte, dass mein Volksschulschwarm seit 20 Jahren, verheiratet und mit zwei Adoptivkindern auf Bali lebt. Es ist skurril und einmal etwas anderes, aber als ich die Fotos gesehen habe, wo seine Tochter im sichtlichen heimischen Wohnzimmer die Geburtstagskerzen ihrer Torte ausbläst, fühlte ich mich gar nicht so gut. Privatsphäre? Ok - er hat sie freiwillig ins Facebook gestellt, doch trotzdem.
Man wird gläsern, nahezu durchsichtig. Durch Kommentare und Beitritte in diverse Fangemeinden könnte sich jeder Geheimdienst ein Vielfaches an Arbeit ersparen. Vorlieben, Hobbys, religiöse oder politische Ansichten, die Lieblingsfilme, die Lieblingsbücher bis hin zur meist gehörten Musik und zu inneren Einstellungen - alles kann man aus Facebook herauslesen. Ein Alptraum? Für viele nicht. Für andere schon. Eifersuchtsdramen taten sich im Freundeskreis auf. Fragen taten sich auf, die man ohne Facebook-Beitritt nie hätte beantworten müssen. Falsche Rückschlüsse aufgrund von Worten, die einen anderen Hintergrund hatten, als der Lesende vermutete. Unmögliche Fotos werden gepostet, man selbst wird markiert und findet es überhaupt nicht lustig, stößt jedoch auf der Gegenseite meist auf Unverständnis.
Ich fühle mich erleichtert. Einerseits. Und andererseits ein bisschen ausgeschlossen. Aber der Schein trügt. Ich bin ja nicht von meiner Umwelt abgeschnitten. Ich habe ein Telefon, ich habe eine email-Adresse und ganz wichtig: ich kann Leute treffen. Ich kann sie ansehen, mit ihnen sprechen und ihnen dabei in ihre Augen schauen. Spaß von Ernst auseinanderdividieren, Sarkasmus richtig interpretieren, Gesten deuten. Das tut gut. Das ist echt.
Mit zunehmender Zugehörigkeitsdauer haben mich die permanenten Statusanzeigen diverser „Freunde" genervt. Auch wenn man die Startseite nur überfliegt, registriert man dennoch die großteils sinnlosen Kommentare: „Die Geschirrspültabs sind leider am Sonntag ausgegangen" Oh, du Schande. Das ist aber nun wirklich ein Problem. Gründen einer Wochenend-Selbsthilfegruppe? Zur Tankstelle fahren und welche kaufen? Mit der Hand abwaschen?
„B wird gerade mit Salz in der Sauna abgerieben". Wie jetzt? Der Laptop war mit in der Sauna? Erotik für Anfänger? Die Singlefreundinnen eifersüchtig machen? Die männlichen Freunde anheizen? Sie motivieren, ihr heimlich eine süße Mitteilung ins Postfach zu schicken? Oder einfach nur Langeweile?
Ich weiß nicht. Ich bin raus. Ich bin echt!
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